Zwang - Psychische Erkrankungen | beratung-therapie.de

Zwang - Zwangs­ver­hal­ten und Zwangs­ge­dan­ken

Zwänge, Zwei­fel und Chaos

 

Was ist eine Zwangsstörung?

Zwang

Unter Zwangs­stö­run­gen ver­steht man, wenn eine Per­son sich dazu gezwun­gen fühlt, bestimmte Ritu­ale aus­zu­füh­ren. Diese Ritu­ale dau­ern häu­fig viele Stun­den an und wer­den von der betrof­fe­nen Per­son als voll­kom­men sinn­los erlebt. Von Zwangs­stö­run­gen Betrof­fene füh­len sich aus uner­klär­li­chen Grün­den dazu ver­an­lasst, immer wie­der bestimmte Hand­lun­gen durch­zu­füh­ren oder bestimmte Gedan­ken zu den­ken. Hier unter­schei­det man zwi­schen Zwangs­ver­hal­ten (z.B. Wasch- oder Kon­troll­zwang, zwang­hafte Kon­trolle von Tür­sch­lös­sern, Gas­häh­nen etc.) und Zwangs­ge­dan­ken (Zähl­zwang, Grü­beln, sinn­lo­ses Wie­der­ho­len von Inhal­ten).

Zwänge als Sym­ptom sind zwar cha­rak­te­ris­tisch für das Krank­heits­bild der Zwangs­stö­rung, tre­ten aber auch bei ande­ren Per­sön­lich­keitss­truk­tu­ren und Krank­heits­bil­dern auf. In Ansät­zen kennt wahr­schein­lich jeder gele­gent­li­che Zwang­haf­tig­keit. Das gilt beson­ders für Kin­der (z.B. nicht auf Fugen tre­ten dür­fen).

Zwangs­sym­ptome kön­nen viele ver­schie­dene For­men anneh­men. Sie vari­ie­ren von einer gele­gent­li­chen, leicht bizar­ren Idee (wie z.B. das bereits erwähnte "nicht auf Fugen tre­ten dür­fen") bis hin zur Zwangs­hand­lung, die den gan­zen All­tag bestimmt (z.B. sich stän­dig waschen zu müs­sen).

Unter­bricht die betrof­fene Per­son diese Ritu­ale, führt das zu einer hohen Erre­gung und einem Gefühl des Unbe­ha­gens. Häu­fig tre­ten Zwangs­sym­ptome gemein­sam mit Depres­si­o­nen auf.

 

Beispiel

"Den Ansatz zur Bil­dung von Zwangs­sym­pto­men auf der Basis einer schon beste­hen­den, aber noch unauf­fäl­li­gen zwang­haf­ten Per­sön­lich­keitss­truk­tur kann uns fol­gen­des Bei­spiel zei­gen:

Ein jun­ger Mann, um eini­ges zu wohl erzo­gen nach gut bür­ger­li­chen Prin­zi­pien, bringt seine Tanz­stun­den­dame nach dem Schluß­ball nach Hause. Das Mäd­chen gefällt ihm sehr, und auf dem Heim­weg kom­men in ihm Wün­sche auf, sie in den Arm zu neh­men und zu küs­sen. Er erschrickt so vor der Kühn­heit sei­ner Phan­ta­sie, hat zugleich soviel Angst, sich unge­schickt zu beneh­men und von ihr abge­wie­sen zu wer­den, daß er beginnt, die Bäume an der Straße zu zäh­len. Das lenkt ihn von sei­nen gefähr­li­chen Impul­sen ab auf etwas Neu­tra­les. Ein­mal so vor­ge­bahnt, fuhr es sich bei ihm ein, daß er in Situa­ti­o­nen, in denen er Angst- oder Schuld­ge­fühle wegen sei­ner Trieb­wün­sche bekam, zwang­haft etwas zu zäh­len begann, was sich gerade anbot. So ret­tete er sich aus für ihn gewag­ten Situa­ti­o­nen vor Ent­schei­dun­gen und akti­vem Han­deln in die­sen Zähl­zwang, der solange anhielt, bis die Ver­su­chung vor­über war. Er durch­schaute den Zusam­men­hang nicht, war nur betrof­fen von die­sem ihm unver­ständ­li­chen Zwang, der sich ihm auf­drängte und den er als läs­tig emp­fand." (RIE­MANN, 1997, S. 137)

 

Wie entstehen Zwänge?

Die Konfrontation mit Regeln und Verboten

Unge­fähr zwi­schen dem 2. und dem 4. Lebens­jahr wird das Kind meist zum ers­ten Mal mit Regeln und Ver­bo­ten kon­fron­tiert. Es kommt zu ers­ten Kon­flik­ten mit sei­ner Umwelt, da nun Dif­fe­ren­zen zwi­schen den eige­nen Wün­schen und Bedürf­nis­sen und denen der Erzie­her auf­tre­ten. Das Kind hat nun ein Alter erreicht, in dem man bereits etwas von ihm for­dern kann, und das Kind stellt der Welt seine eige­nen For­de­run­gen ent­ge­gen. Dazu kommt, daß das Kind seine Wün­sche nun mehr und mehr sprach­lich zum Aus­druck brin­gen kann. Nach­dem es bis dahin in völ­li­ger Abhän­gig­keit von der Bezugs­per­son gelebt hat, erlebt es nun eine Phase der Ablö­sung ver­bun­den mit einer wach­sen­den Nei­gung zur Selb­stän­dig­keit.

Auf diese Weise ent­ste­hen immer mehr Situa­ti­o­nen, in denen das Kind mit sei­ner Umwelt in Kon­flikt gera­ten kann. In die­ser Zeit etwa des 2. - 4. Lebens­jah­res wird im ers­ten Ansatz das Schick­sal sei­nes Erkun­dungs­trie­bes sowie sei­ner aggres­si­ven Triebe bestimmt. Außer­dem wird in die­ser Phase ent­schei­dend die Aus­for­mung des eige­nen Wil­lens beein­flußt. Die Ver­hal­tens­wei­sen, die das Kind in die­ser Phase lernt, wer­den zu Ver­hal­tens­mo­del­len für die wei­tere Ent­fal­tung der Per­sön­lich­keit (Rie­mann, 1997).

 
 

Mögliche Ursache für Zwangsstörungen

Es geht in die­ser Phase nicht um die Tat­sa­che, dass Regeln und Ver­bote an das Kind her­an­ge­tra­gen wer­den, son­dern um das "WIE". Denn hier ent­steht ein tiefe Grund­lage dafür, ob ein Mensch spä­ter ein gesun­des Selbst­be­wusst­sein und einen eige­nen Wil­len besitzt oder er sich trot­zig gegen Auto­ri­tä­ten auf­lehnt, sich gefü­gig anpasst und damit bereits Ansätze zu einer spä­te­ren zwang­haf­ten Per­sön­lich­keitss­truk­tur erwirbt. In die­sem Zusam­men­hang ist wich­tig zu bemer­ken, dass Erstein­drü­cke und Ers­ter­fah­run­gen beson­ders dann eine prä­gende Wir­kung haben, wenn sie sich auf etwas bezie­hen was neu gelernt wer­den muss, d.h. auf etwas, das mit einem fäl­li­gen Ent­wick­lungs­schritt zusam­men­hängt.

Bei Per­so­nen, die an einer Zwangs­stö­rung lei­den, zeigt sich mit gro­ßer Regel­mä­ßig­keit, dass sie zu früh in ihrer Kind­heit star­ren Regeln unter­wor­fen waren. Das Kind darf Dinge nur auf eine bestimmte Weise tun. Abwei­chun­gen wer­den geahn­det und als "böse sein" erlebt. Das Kind ver­sucht nun starr, die gege­be­nen Regeln zu befol­gen, aus Angst, die Ableh­nung der Umwelt auf sich zu zie­hen. Diese star­ren Regeln hin­dern das Kind daran, die eige­nen Impulse aus­le­ben zu kön­nen. Dadurch wird die Mög­lich­keit unter­drückt, dass das Kind Ver­hal­tens­wei­sen erlernt, die zu grö­ße­rer Eigen­stän­dig­keit und Unab­hän­gig­keit ver­hel­fen.

Reicht aber nicht ein­mal mehr die strikte Ein­hal­tung der elter­li­chen Regeln dafür aus, um die eigene Angst vor Ableh­nung zu kon­trol­lie­ren, kommt es zur Ent­wick­lung von Zwangs­sym­pto­men und Zwangs­hand­lun­gen. Ursprüng­lich haben sie die Funk­tion die Angst zu kon­trol­lie­ren, machen sich aber all­mäh­lich selb­stän­dig und wer­den zu einem inne­ren "Müs­sen" (Zwang). Selbst wenn die betrof­fene Per­son diese Ritu­ale als sinn­los emp­fin­det, ist es ihr trotz­dem nicht mög­lich, diese zu unter­las­sen. Immer wenn die betrof­fene Per­son ver­sucht, die­sen Zwang zu unter­bre­chen oder auf­zu­lö­sen, wer­den die Ängste, die damit ver­meint­lich kon­trol­liert wer­den, frei.

Sche­ma­tisch kann man sagen, dass die Stärke der Zwänge davon abhängt, wie das Ver­hält­nis von eige­nen Bedürf­nis­sen und Angst vor Strafe in der Kind­heit aus­ge­fal­len ist.

 

Die Funktion von Zwängen

Die Zwangs­stö­rung läßt sich als eine Form der Kon­flikt­be­wäl­ti­gung sehen: Bei der Zwangs­sym­pto­ma­tik han­delt es sich darum, daß The­men wie Aggres­sion, Zer­stö­rung, Chaos, Will­kür und Triebe durch die Bil­dung der Sym­ptome auf­ge­fan­gen wer­den sol­len. Die Zwangs­stö­rung stellt die per­so­ni­fi­zierte, zum Cha­rak­ter gewor­dene Abwehr die­ser Kon­flikt­the­men dar. Alle Ansätze von Chaos und Will­kür sind in Ord­nun­gen und Prin­zi­pi­en­haf­tig­keit gebän­digt. Trieb­hafte Impulse sol­len durch Sau­ber­keit, Ver­nünf­tig­keit, Spar­sam­keit kon­trol­liert wer­den. Durch die strikte Pla­nung und Sach­lich­keit ist jeg­li­che Spon­ta­ni­tät unter­bun­den. Die aggres­si­ven und "ego­is­ti­schen" Ten­den­zen wer­den durch ethi­sche Ansprü­che und "selbst­lose" Hal­tun­gen in das Gegen­teil gewan­delt. Diese starre Per­sön­lich­keitss­truk­tur ver­sucht eine umfas­sende Kon­trolle über die eigene Psy­che und die zwi­schen­mensch­li­chen Bezie­hun­gen zu schaf­fen (Rudolf, 1996).

Doch es kön­nen auch ent­täu­schende Erfah­run­gen sein, die Per­so­nen mit einem schwa­chen Selbst und star­ker Sehn­sucht nach engen Bin­dun­gen mit Hilfe zwang­haf­ter Mit­tel ver­su­chen zu bewäl­ti­gen und durch die sie ver­su­chen, wei­tere ent­täu­schende Erfah­run­gen zu ver­mei­den (z.B. kann die Angst vor dem Ver­las­sen­wer­den durch zwang­hafte Hand­lun­gen gebun­den wer­den). In die­sen Fäl­len ist nicht der Inhalt des Kon­flik­tes typisch für eine Zwangs­stö­rung, son­dern die Art der Kon­flikt­be­wäl­ti­gung.

 

Zwänge und Chaos

För­dernd für die Aus­bil­dung zwang­haf­ter Züge kann auch sein, wenn ein Kind in einem chao­ti­schen Umfeld auf­wächst, das ihm keine Ori­en­tie­rungs­punkte bie­tet. Es hat kei­nen Halt und erlebt die Frei­heit als beängs­ti­gend, da alle Mög­lich­kei­ten der Will­kür offen sind. So sucht es nach einem inne­ren Halt, da es in sei­ner Umwelt kei­nen fin­det. Das Kind ver­sucht, aus sich her­aus Ord­nun­gen und feste Grund­sätze zu ent­wi­ckeln, an die es sich hal­ten kann und die ihm Sicher­heit geben. Da sie durch die Umwelt wie­der­holt gefähr­det wer­den, neh­men sie immer zwang­haf­tere For­men an.

 

Zwänge und Zweifel

Zwei­fel spie­len für zwang­hafte Per­sön­lich­kei­ten in vie­len Varia­ti­o­nen eine Rolle. Zual­le­r­erst sind sie ein Schutz davor, sich zu etwas hin­rei­ßen zu las­sen, das man even­tu­ell hin­ter­her bereuen könnte. Zwei­fel kön­nen sich immer mehr ver­selb­stän­di­gen und zu einem Ersatz für das wirk­li­che aktive Tun wer­den. Durch die­ses Zwei­feln ent­steht auch die cha­rak­te­ris­ti­sche Eigen­schaft von zwang­haf­ten Men­schen, zu zögern und unent­schlos­sen zu sein.

 

Therapie

Behandlung von Zwangsverhalten

Lange gal­ten Zwangs­stö­run­gen als schwer zu behan­deln. Inzwi­schen erzielt man v.a. gute Erfolge mit ver­hal­tens­the­ra­peu­ti­schen Mit­teln, die gele­gent­lich mit Medi­ka­men­ten unter­stützt wer­den. Die für die The­ra­pie gewähl­ten Metho­den bei Zwangs­ver­hal­ten (Zwangs­hand­lun­gen) sind Ver­fah­ren der Kon­fron­ta­tion und Reak­ti­ons­ver­hin­de­rung. Diese sol­len den Zir­kel von Angst und Ver­mei­dung durch­bre­chen: Der Pati­ent wird mit der Situa­tion, wel­che die Zwangs­ri­tu­ale aus­löst, kon­fron­tiert. In Abspra­che und mit der Zustim­mung des Pati­en­ten wird ver­hin­dert, daß das Zwangs­ver­hal­ten aus­ge­führt wer­den kann. Zunächst führt das zu einem Anstieg, aber dann zu einem Nach­las­sen der Angst. Außer­dem soll es zu einem Anstieg des sub­jek­ti­ven Erle­bens von Kom­pe­tenz im Umgang mit dem Pro­blem füh­ren. Doch wenn das Zwangs­ver­hal­ten eine sta­bi­li­sie­rende Funk­tion hat, muß das bei der Ther­pie­pla­nung beach­tet wer­den, denn eine Kon­fron­ta­tion stellt in die­sem Fall das falsche Mit­tel dar.

Behandlung von Zwangsgedanken

Da Zwangs­ge­dan­ken sich der Beob­ach­tung von außen ent­zie­hen, gestal­tet sich die Behand­lung häu­fig schwie­ri­ger. Eine Kon­fron­ta­tion durch wie­der­hol­tes Durch­ge­hen der ver­mie­de­nen Gedan­ken und Vor­stel­lun­gen kann ein ange­mes­se­nes Vor­ge­hen sein, um eine Gewöh­nung bzw. Reak­ti­ons­ver­hin­de­rung zu errei­chen.

Nach einer sol­chen, die schlimms­ten Sym­ptome lin­dern­den Ver­hal­tens­the­ra­pie, ist es oft ange­ra­ten, eine "tie­fer gehende", mehr die ursäch­li­chen Zusam­men­hänge und Bedeu­tun­gen berück­sich­ti­gende tie­fen­psy­cho­lo­gi­sche Behand­lung anzu­schlie­ßen. Inso­fern ist eine The­ra­pie wün­schens­wert, in der der The­ra­peut bzw. die The­ra­peu­tin beide Aspekte mit in die Behand­lung inte­grie­ren kön­nen.

 
 

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Dipl.-Psych. Volker Drewes
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